Thursday, July 12, 2012

Pubertät ist, wenn die Eltern schwierig werden.

... zumindest dachte ich das. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen allerdings, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht; Eltern hören nach der Pubertät keinesfalls auf, schwierig zu sein. Das Schwierigsein verlagert sich nur in einer andere Richtung. Irgendwann im Laufe des Lebens kommt der Punkt, an dem man feststellen muss, dass die eigenen Eltern nun ganz realistisch und objektiv betrachtet vor allem eines sind: alt. Und ich meine nicht die "Oh, mein Gott, ich bin über dreißig und heute morgen hab ich ein graues Haar entdeckt"-Sorte von alt, ich meine die richtige Sorte alt, die mit komplett ergrautem Haupthaar und der Aussicht auf Seniorenteller daher kommt. Vor allem aber mit der Tatsache, dass die lieben Eltern so langsam wunderlich werden.
Mein eigener Vater ist angesichts der Tatsache, dass er eine auf die vierzig zugehende Tochter (Tschuldigung, My) hat, noch ziemlich jung. Aber auch er feiert diesen Herbst seinen Sechzigsten und hat die letzten paar Jahre dazu genutzt, sich einige wunderliche Verhaltensmuster zuzulegen. Und eine neue Frau, welche diese hauptamtlich ertragen muss. Wir Kinder haben uns schon frühzeitig ins feeeheheerne Exil geflüchtet (die einen mehr, die anderen weniger erfolgreich) und bekommen dafür einige wenige Male im Jahr die volle Breitseite ab. (Sozusagen Wunderlichkeitskonzentrat.)
Der Lieblingstrick meines Vaters scheint zu sein, dass er in einem Gespräch mental sofort dicht macht und sich seine nächste Ansage überlegt, sobald er seinen Datensatz an ewig Ausholen, um zum Punkt zu kommen (oder im Falle meines Vaters manchmal auch: ewig ausholen, um dann NICHT zum Punkt zu kommen) losgeworden ist und den Redebeitrag seines Gegenübers (einige wenige Male im Jahr also: mir) somit nur als entferntes Rauschen oder Walgesänge wahrnimmt. Etwa in der Art, wie Knecht Ruprecht die Simpsons wahrnimmt, nehme ich an.
Die folgende Begebenheit ist wirklich passiert. Papa, falls du das lesen solltest, sei mir nicht böse, aber das hier MUSSTE ich erzählen.
Wir waren also Sonntag morgens frühstücken. Die Bar, in der wir saßen, hatte (für die lieben Kleinen) anstelle von Platzdeckchen wunderbar leere Bögen weißen Papiers und die dazu passenden Buntstifte bereit gelegt. Eine Herausforderung, welche ich natürlich gerne annahm. Ich begann also, eine Art grellbunten Vogel zu zeichnen, mit langem Schnabel und blauem Brust- und Kopfgefieder. Mein Vater, seit Kurzem Hobby-Ornithologe, schaute mir interessiert dabei zu, während er uns erzählte, welche Arten heimischer Vögel des Morgens seine Terrasse aufsuchen. (Informationen, die ich, wie ich soeben bemerke, unbenutzt gelöscht zu haben scheine.) Als das 1A Kunstwerk fertig war, schrieb ich daneben mit dickem schwarzen Stift die Worte:
NORWEGIAN BLUE (LOVELY PLUMAGE)
Den Dialog, welcher sich daraus entsponn, gebe ich so gut ich kann aus dem Gedächtnisprotokoll wider:

Vater: Aha. Norwegian Blue. Lovely Plummage. (Er sprach es mit flachem a aus, so als ob "plumage" etwas mit "plumber" oder "plums" zu tun habe und das ist, wie wir alle wissen, Quatsch, denn wie sollte das denn aussehen, wenn ein Vogel anstelle von Federn Pflaumen hätte und wie sollte der denn fliegen??)
Tochter: Es heißt "plumage". (Mit [u:])
Vater: Was heißt denn "plummage"?
Tochter: Es heißt "plumage" und das heißt "Gefieder".
Vater: Aha. Und woher weißt du, was "plummage" heißt?
Tochter: Ich weiß, dass es "plumage" heißt und, naja, was soll ich sagen; ich studiere seit 10 Jahren Anglistik. Ich weiß es halt einfach. (Diese Aussage war natürlich in zweierlei Hinsicht gelogen. Das Wort "plumage" ist mir in meinem Studium nicht begegnet; nicht wirklich; nicht, dass ich mich erinnern könnte. Das Wissen um dieses Wort habe ich selbstredend, und wie dem Liebhaber der Britischen Sketchcomedy auch schon längst aufgefallen sein dürfte, aus dem berühmten Parrot Sketch von Monty Python. Außerdem sind es schon 12 Jahre.)
Und jetzt kommt's: das Folgende hat mich mein Vater wirklich gefragt, ich denke mir das hier nicht aus! Und es war eine ernst gemeinte Frage!
Vater: Aha. Heißt es "plummage" oder "plumage"?

Verarscht der mich oder was?!

Und es ging noch weiter.

Tochter: Wie ich eingangs bereits acht mal erwähnte, heißt es "plumage". 
Vater: Das ist aber nicht logisch.
Tochter: Das muss es auch nicht sein. (Außerdem: was wäre denn bitte die logische Aussprache??)
Vater: Also ich würde "plummage" sagen.
Tochter. Ja, das geht auch, nur ist das dann halt falsch.

Und diese kleine pittoresque Szenerie ist nicht etwa ein Einzelfall; ich führe derlei Gespräche ANDAUERND mit meinem Vater. Und ich frage mich: das war doch nicht schon immer so, oder? Früher war doch mein Vater des Zuhörens durchaus mächtig. Auch wenn ich zugebe, dass die Sache mit dem nicht zum Punkt kommen auch schon zu Zeiten des schwarzen Haupthaars ein Quell der Freude in Gesprächen mit ihm war. Ich frage mich außerdem: Ist das die Rache des Vater-Tochter-Karmas für 18 Jahre unaufgeräumte Zimmer und nicht abgewaschenes Geschirr? Werden alle Eltern so, oder ist das nur bei uns so? Ist es tatsächlich das Alter? Oder die voranschreitende Luftverschmutzung? Oder war es tatsächlich schon immer so und es ist mir nur früher nicht aufgefallen (vielleicht weil ich selber nicht immer so ganz aufmerksam zugehört habe)? Könnte mich nicht erinnern.

Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, ab jetzt bei Besuchen meines alten Herren stets einen Stift und ein Stück Papier bei mir zu haben, um fleißig Notizen machen zu können. Und, vielleicht, wer weiß, kann ich damit bald im Quatsch Comedy Club auftreten.

1 comment:

kathi said...

na, der pirol, mensch... warum merk ich mir sowas?